Allein die Entstehungsgeschichte von „Crazy For You“ wäre schon Stoff für ein eigenes Musical, denn - wenn man den Legenden Glauben schenken darf - es erfüllte sich ein leidenschaftlicher Gershwin-Fan damit Ende der 80er Jahre seinen persönlichen Traum: Der amerikanische Multimillionär Roger Horchow wünschte nichts so sehr, als sein Lieblingsmusical „Girl Crazy“ wieder auf der Bühne zu sehen, und er war bereit, viel Geld dafür zu zahlen. Doch für Geld kann man bekanntlich nicht alles haben: Trotz erfolgreicher Uraufführung 1930 am Broadway konnte das Musical von George und Ira Gershwin in den folgenden Jahrzehnten nicht in das einschlägige Repertoire eingehen; das Buch war einfach zu dürftig, die Handlung belanglos. Was machte man nun mit einer beachtlichen Anzahl hervorragender Musiknummern, die sich um eine nichtssagende Story ranken? Ken Ludwig, Autor mehrerer Musicals und von Horchow zu Rate gezogen, entschied, „Girl Crazy“ von Grund auf zu überarbeiten. Nachdem er die Erlaubnis der Gershwin-Erben erhalten hatte, machte er sich gemeinsam mit dem Regisseur Mike Ockrent an die Arbeit: Sie erdachten eine neue Handlung, stellten musikalische Nummern um, verzichteten auf einige, fügten andere Songs hinzu und gaben dem Ganzen – bezugnehmend auf den Eröffnungssong - einen neuen Namen: „Crazy For You“. „Wir wollten den Zuschauer glauben machen, dass jede Nummer extra für diese Show geschrieben wurde, man sollte es nicht für möglich halten, dass sie von woanders stammen könnte.“, beschreibt Ludwig ihren Vorsatz, der sich einlöste: „Eines Abends hörten wir, wie ein Paar über die Show sprach. „Leben denn George und Ira Gershwin noch?“, fragte die Frau, und ihr Mann antwortete: „Sie müssen - sie schreiben ja noch Musicals.“

Die Handlung von „Crazy For You“ führt uns auf und hinter die Kulissen des Theaters. Bobby Child, Sohn einer reichen Bankiersfamilie, liebt die Bühne. Doch trotz seiner Bemühungen – er tanzt dem berühmten ungarischen Produzenten Bela Zangler vor – gelingt es ihm nicht, ein Engagement zu bekommen. Stattdessen schickt ihn seine Mutter nach Deadrock, Nevada, um das bankrotte Gaiety Theater im Auftrag der Bank zu liquidieren. Dort angekommen, verliebt er sich sofort in dieses Theater – und in die Tochter des Besitzers, Polly, die natürlich von dem Banker, der ihnen das Theater wegnehmen soll, nichts wissen will. Bobby schlüpft in die Rolle von Bela Zangler, mobilisiert seine Freunde vom Broadway, lehrt die raubeinigen Cowboys das Steppen, um mit einer grandiosen Show das Theater zu retten und Polly von der Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen zu überzeugen. Doch die einzigen, die sich zur Premiere in das Provinznest verirren, ist ein englisches Geschwisterpaar, das einen Reiseführer über den amerikanischen Westen schreiben will. Der Traum zerplatzt, und als Polly ihm auch noch nicht glauben will, dass er die Rolle des berühmten Produzenten gespielt hat, fährt Bobby enttäuscht nach New York zurück. Aber wir wären nicht im Musical, wenn es nicht zum Happy End kommen würde: Der echte Zangler besucht die Show, ist beeindruckt und bereit, Namen und Geld zur Verfügung zu stellen, um ihr zum Erfolg zu verhelfen. Klar, dass sich am Ende auch noch alle erdenklichen Paare finden... Dergestalt hatte das „neue“ Gershwin-Musical 1992 am Shubert Theatre in New York Premiere. Das Publikum fühlte sich in die „gute alte Zeit“ des amerikanischen Musicals zurückversetzt und feierte die Show, die mit Humor und Sentiment, Tapdance und vor allem guter Musik aufwartet: Gershwins Kompositionen haben nichts von ihrem Zauber verloren, unter den Songs finden sich Nummern wie „Embraceable You“, „I Got Rhythm“ oder „Naughty Baby“, die längst zu Klassikern des Genres geworden sind.